Damals war Lara gekommen, um zu bleiben, doch nun blieb ihr nichts anders übrig, als zu gehen.
Lara stand inmitten ihrer gemeinsamen Wohnung, zwischen all ihren Erinnerungen mit Tobias; Erinnerungen, die sie nun hämisch anlachten und ihr ein „Es ist deine Schuld, dass ihr es nicht geschafft habt“ zuraunten.
Tobias und sie hatten sich auf einem Online-Portal kennengelernt. Nach zahlreichen Küssen von Froschen, schien er der verschollene Prinz zu sein, der sie gefunden hatte, um sie zu retten. Tobias überhäufte sie mit Geschenken, zeigte offen seine Zuneigung und warb um sie; etwas, was Lara nicht kannte. Durch die Aufmerksamkeiten, die er ihr entgegengebracht, fühlte sich Lara wertvoll, geliebt und gesehen; zum allerersten Mal in ihrem Leben.
Schnell zogen beide zusammen. Tobias versprach alles, was Lara am gemeinsamen Wohnen wichtig war; mit ihr offen über Probleme zu reden, sie bei Hausarbeiten zu unterstützen und vor allem, sich beide als Team, als ein Wir zu betrachten, das Entscheidungen gemeinsam traf.
Tobias fing schnell damit an, sie zu verändern. Seiner Ansicht nach, sollte sie sich anders kleiden, sich mehr zurecht machen, mehr Frau für ihn sein. Obwohl Lara bei ihrer Veränderung ein Unbehagen in sich spürte, tat sie alles, um Tobias zu gefallen. Zu groß war ihre Angst, von ihm verlassen zu werden; sich ohne Partner wieder ungeliebt und wertlos zu fühlen.
Eine zeitlang lief es gut zwischen ihnen, bis die erste große Lüge von Tobias ans Licht kam und Lara begann, ihre Wünsche offen zu äußern. Trotz allem hielt sie an Tobias fest; vielleicht auch, weil sie dachte, dass er sich ändern würde, wenn sie alles für ihn tat.
Doch ihre Hoffnung erfüllte sich nicht. Schritt für Schritt lösten sich Versprechungen, die ihr Tobias gegeben hatte, in Schall und Rauch auf. Während Lara alles für ihn und ihr Wir tat, lebte er ein Leben für sich, ohne an ein Wir zu denken.
Tobias gab ihr Geld aus, verplante seine Zeit mit Freunden und traf Entscheidungen ohne sie. Wenn Lara ihn darauf ansprach, wurde er wütend und stellte sie als die Schuldige ihrer Schwierigkeiten dar. „Du klammerst“ oder „Stell dich nicht so an, es ist doch nur Geld“, waren nur einige der Äußerungen, die ihr Tobias im Streit entgegenschleuderte.
Schuld wurde schließlich zu einem ständigen Begleiter von Lara. Sie vergaß, was sie sich von einer Partnerschaft wünschte und verdrängte ihre Unzufriedenheit. Lara gab es auch auf, mit Tobias über ihre Probleme zu sprechen. Sie war die Kämpfe leid, die zu lauten Diskussionen führten, keine Einigung erzielten und sie letztendlich als Schuldige darstellten. Sie akzeptierte Tobias Einstellung, fügte sich ihrer Rolle als versorgende Frau, die keine Wünsche äußern durfte, doch wurde von Tag zu Tag unglücklicher. Irgendwann lebten beide nur noch vor sich hin. Ohne einen Raum für ihr Wir, das gemeinsame Wünsche und Ziele hat.
Doch nach einem erneutem Streit um verkochte Nudeln, bei dem sich beide erbittert anschrien und mit Vorwürfen bombardierten, wurde Lara klar, dass sie so nicht weiterleben konnte. Sie wollte sich nicht mehr mit einer Rolle begnügen, die nicht zu ihr passte; ihre Bedürfnisse verdrängen und sich selbst hintenanstellen, damit Tobias glücklich war. Zulange schon fühlte sich Lara wie gefangen; in einen Käfig, der ihrem Ich, das sie schon lange nicht mehr gefühlt hatte, die Luft zu atmen nahm.
Lara wollte nicht mehr mit Tobias kämpfen, um etwas, das es schon lange nicht mehr gab; vielleicht auch nie gegeben hatte. Sie wollte frei sein, um der Mensch zu werden, der sein Glück in sich selbst findet. Also packte sie ihre Koffer, um ihren Käfig verlassen zu können.
Nachdem Lara ihre Beziehung gedanklich Revue passieren ließ, kam sie wieder in den gegenwärtigen Moment zurück. Ihre Erinnerungen waren nun still, denn der Kampf war vorbei, weshalb sie nun Frieden fühlte. Lara wurde bewusst, dass es nicht um Schuld ging. Weder sie noch Tobias hatten Schuld. Beide hatten eine zeitlang einander gebraucht, um sich geliebt zu fühlen. Darüber hatten sie vergessen, dass sie sich zuerst selbst lieben müssen, um einen anderen Menschen wirklich lieben zu können.
Es gab nichts mehr, das zu schaffen war. Lara hatte losgelassen, weil ihr Wir sie festgehalten hatte, der Mensch zu werden, der sie wirklich war.
Lara legte einen Brief, den sie für Tobias geschrieben hatte, auf den Esszimmertisch. Dann ergriff sie ihre Koffer und blickte sich ein letztes Mal um. In diesem Moment begriff sie, dass sie nicht gekommen war, um zu bleiben; sie war gekommen, um sich zu finden.
Das erleben wohl viele Frauen. Gut, wenn sie dann frei sind, um zu gehen.
Doch Mütter mit Kindern und ohne eigenes Einkommen werden wohl zu Hause bleiben und darin einen persönlichen Weg freimachen lernen.
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Ja, da hast du Recht liebe Gisela.
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Wir sind alle Findelkinder….
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Ja
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Du hast mich liebende Lene gefunden
Ich finde mich in dir….
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Wir sind alle eins
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