Etiketten

Sie zündete ein Räucherstäbchen und eine Kerzen an, um das neue Jahr zu begrüßen. Gedanklich ließ sie alte Bilder Revue passieren; Menschen, Situationen, Erfolge und Misserfolge, die ihr in ihrem Leben widerfahren waren.

Ihr wurde bewusst, dass all diese Erfahrungen zu ihren Etiketten geworden waren; Sätze, wie „du bist nicht gut genug“ oder „du musst noch härter (an dir) arbeiten“ waren ihre Lebensbegleiter. Sie zog ihre Zuschreibungen, die sie nach Geburt fleißig gelernt hatte, immer wieder aufs neue an.

Männer zeigten ihr, dass sie nicht liebenswert genug war und Freunde spiegelten ihr wider, wie gut sie zuhören konnte. Sie fand sich in Situationen wider, die ihr bekannt vorkamen. Wie ein Hamster im Laufrad rannte sie vor ihren Etiketten, die sie letztlich immer wieder einholten, davon.

Ihre letzte Runde im Laufrad endete mit dem Satz: „ Das ist mein Muster. Ich verunsichere und verletze Menschen.“

Sie hatte die Bedeutung dieses Satzes erst nach einer Weile verstanden. Zunächst war sie erneut in ihre alten Zuschreibungen gefallen; zu bekannt waren sie ihr, passend schmiegten sie sich an ihre Zweifel und wie Leim klebten sie an ihrem Ich, um ihre erlernte Identität zusammenzuhalten.

Doch jetzt, in diesem Moment der Stille, verstand sie, dass sie nur sich selbst begegnet war; ihren Mustern und erlernten Etiketten. All die alten Bilder bekamen eine andere Bedeutung; sie wurden zu Geschenken, die sie auszupacken hatte. Sie begriff, dass sie ihre alten Zuschreibungen loslassen konnte, um andere zu finden; Sätze, wie „du bist von Geburt an liebenswert“ oder „du verdienst das Allerbeste und all das Glück der Welt.“

Sie blickte auf das ausgebrannte Räucherstäbchen und die flackernde Kerze. Dann schloss sie die Augen und spürte Frieden. Das Wettrennen im Hamsterrad war beendet. Sie überlegte, ob sie nach anderen Etiketten suchen sollte. Dann lächelte sie und blies mit geöffneten Augen die Kerze aus. Sie war Mensch, Gottes Kind und universelle Liebe, andere „Zuschreibungen“ benötigte sie nicht. Sie war sich sicher, dass sie nun auf Menschen treffen würde, die genau dies in ihr sahen bzw. für sie fühlten.

Veröffentlicht von Lene

Ich würde mich als emphatische und entspannte Person bezeichnen, die versucht, ihre Erlebnisse in Wort und Schrift darzustellen. Also alles was mein Herz in irgendeiner Art und Weise berührt, verarbeite ich schriftlich. Ich bin kein Meister der Poesie. Manches mag sich holprig anhören, aber so ist mein Schreibstil. Ich bin auch nicht festgelegt auf eine Art von Text, jedenfalls noch nicht. Ich probiere gerne mal aus, dass merkt man auch an meiner Website: Sie ist recht bunt. Ich denke gerne bunt, denn für mich ist es das Leben auch. Mich freut es einfach, wenn der ein oder andere etwas mit meinen Texten anfangen kann oder sich vielleicht sogar darin wiederfindet. Viel Spaß beim Lesen. Und danke für euren Abstecher in meine kleine, bunten Welt. Vielleicht bis bald. 🤗 Lene

8 Kommentare zu „Etiketten

  1. Schön. „Gottes Kind“, von der universellen LiEBE gehalten,“ – so würde ich es sagen.
    Einen Tippfehler fand ich am Schluß noch. Muß nachschauen.

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