Sie überlegte, wann sie das letzte Mal verliebt gewesen war. Es schien Ewigkeiten her zu sein, dass sie dieses Gefühl empfunden hatte. Sie hatte es verdrängt; das letzte Mal, als sie jemand in ihr Herz gelassen hatte – es wäre es fast zerrissen worden.
Sie wurde verletzt. Es war nicht eine Verletzung, sondern viele kleine, die eine große Wunde ergaben. Die schlimmste hatte sie sich selbst zugefügt, bei dem Versuch, ihre Gefühle zu verbergen. Monatelang. Bis sie es selbst nicht mehr ertrug.
Es hatte sich angefühlt, als säße sie auf einem Pulverfaß, dass irgendwann explodierte. Das tat es dann auch; bei dem Versuch, ihm ihre Gefühle zu gestehen. Es kam so, wie sie es befürchtet hatte: Er verstand sie nicht und sie hatte zu viel Angst, sich weiter zu öffnen. Also ging sie und er ließ sie gehen. Das war das Ende der Geschichte; aber nur das „erste“ Offensichtliche.
„Ihre“ Geschichte beschäftigte sie weiter, monatelang. Oft fragte sie sich, was sie falsch gemacht hatte. Sie wälzte sich in ihrer Verletzung und ertrank fast daran. Immer dieselben Fragen, jedesmal ohne Antworten. Sie verstand es nicht, aber nur, weil sie es nicht verstehen wollte.
Erst nach viel Zeit, einem Meer aus Zeit, begann sie es zu verstehen. Erneute Begegnungen mit ihm und das Zurückfallen in das bekannte Schauspiel „nichts zu fühlen“ taten ihr Übriges. Endlich verstand sie das „wirklich“ Offensichtliche; dass, was sie nie erkennen hatte wollen
Er konnte sie gar nicht verstehen und wird es auch nie; vor allem nicht ihre Gefühle für ihn. Für ihn war sie nie dass gewesen, was er für sie gewesen ist. Nicht einmal „etwas“ oder „irgendwer“, nur „gar nichts“. Dies hatte sich bei allen weiteren Begegnungen zwischen ihnen gezeigt. Er hatte ihr nie gezeigt oder gesagt, dass er sie auf dieselbe Weise gern hat, wie sie ihn. Nicht einmal ansatzweise. Sie bedeutete ihm nichts. Und dass war das eigentlich Offensichtliche, was sie nun endlich verstand.
Und da sie dies nun endlich begriffen hatte, hörte sie auf, sich an eine Geschichte zu klammern, die es nie gegeben hatte. Sie konnte loslassen, auch um sich selbst nicht mehr weh zu tun. Sie überlegte, ob es nicht Zeit war, neu anzufangen. „Das ist es“, sagte sie zu sich selbst. Sie wusste nur nicht, ob sie noch einmal mutig genug war, ihr Herz für jemanden anderen zu öffnen. „Eins nach dem anderen“, dachte sie. Und damit schloss sie ihre Überlegungen ab.
Vor vielen Jahren fand ich bei tumblr von wasunsausmacht diesen Satz:
‚All die Liebesgeschichten handeln vom Finden des Anderen, vom Unglück der ersten Zeit, in der der unwahrscheinliche Fall einer gegenseitigen Liebe hergestellt werden soll, in der einer noch nicht so richtig will oder andere Umstände ein Zusammensein verhindern.‘
Wie oft kann ein Mensch sich verlieben, sich dem/der Anderen offenbaren und abgewiesen werden?
Es gibt wohl Menschen, die in Liebesdingen nicht richtig kalibriert, geeicht sind, sie lieben immer knapp daneben.
Jede heftige Reaktion auf eine Abweisung hat auch ihr Gutes: die Reaktion spiegelt die Verletzungen des Inneren Kindes.
Liebe Grüße, Bernd
LikeGefällt 1 Person
Hallo Bernd
Ein so schöner Satz, der mich nachdenken lässt. Danke dafür. Liebe Grüße. Madeleine
LikeGefällt 1 Person