Siehst du hier, die zwei Teile, das eine dunkel, das andere hell;
es siegt das eine für eine Weile, dann das andere – manchmal wechselt es recht schnell.
Diese Zeilen habe ich vor 13 Jahren geschrieben; als ich 25 Jahre alt war. Sie sind lyrisch betrachtet sicherlich recht einfach gehalten, haben aber damals etwas ausgedrückt, was ich fühlte; einen andauernden Wechsel von dunkel zu hell.
Damals habe ich mit diesen Zeilen meine Niedergeschlagenheit, die im Kontrast zu meiner Lebensfreude stand, umschrieben. Dieser Kontrast hat mich lange begleitet; vielleicht den ein oder anderen von euch auch.
Früher habe ich die verschiedenen Anteile meines Selbst zwar wahrgenommen, eben dunkel und hell, aber nicht akzeptiert. Vielmehr fragte ich mich damals oft, warum ich nicht „das singende, springende Blumenmädchen“ sein konnte, anstatt das „blasse, traurige Mädchen“, das sich durch ihre runterhängenden Mundwinkel auszeichnet. Ich nahm zwar wahr, dass ich beides war, das traurige Mädchen wollte ich aber nicht akzeptieren. Viel lieber wollte ich das Blumenmädchen sein; und das ständig.
In einem Austausch auf meinen Blog ging es um verschiedene „Anteile“, die ein jeder von uns inne hat. Dieser Austausch hat mich dazu bewogen, meine „alten Zeilen“ erneut zu lesen und mir Gedanken zu ihrer Thematik machen; mehr noch, sie neu zu verstehen und zu interpretieren – durch das, was ich vom Leben gelernt habe.
Fakt ist, dass wir alle aus verschiedenen Anteilen bestehen; aus Positiven und Negativen. Das Leben selbst besteht daraus. Es gibt einen Plus- und einen Minuspol; beide ziehen sich gegenseitig an. Beides „gehört“ also zueinander; zu unserem Leben und generell zu uns. Ohne Positives gäbe es nichts Negatives und umgekehrt.
Du kannst also nicht immer „das singende, springende Blumenmädchen sein“. Niemand kann das; auch ich nicht. Manchmal ist man nun mal „das blasse, traurige Mädchen“ mit den runterhängenden Mundwinkeln; was in Ordnung ist – solange „sie“ nicht dein ständiges „Gesicht“ wird.
All unsere Anteile gehören zu uns. Wir müssen sie wahrnehmen, fühlen und uns mit ihnen auseinander setzen. Niemand ist ausnahmslos glücklich, auch wenn es so wirkt. Derjenige/Diejenige hat nur gelernt, das Leben von seiner besten Seite zu sehen; selbst, wenn es sich von seiner Negativen zeigt.
Auch „das blasse, traurige Mädchen“ mit ihren runterhängenden Mundwinkeln gehört zu dir; es kann übrigens in gewissen Momenten trotzdem lachen. Immer dann, wenn es gesehen und in den Arm genommen wird; von dem singenden, springende Blumenmädchen – dass du selbst bist, denn dieser Anteil steckt ebenfalls in dir.
Liebe Madeleine,
oh ja, dieser Kontrast, der andauernde heftige Wechsel – wie du ihn beschreibst: von dunkel zu hell und zurück – hat mich (zu) lange begleitet.
Heute weiß ich, woran es lag. Ich bin ein introvertierter Mensch – das weiß ich erst wirklich seit eineinhalb Jahren – und ich hatte mein Leben lang dagegen gelebt (ohne es zu wissen). Ich war ein ruhiges Kind, ein zu ruhiges Kind, wie meine Eltern meinten, ich konnte stundenlang allein im Spiel versinken und in Gesellschaft konnte ich mich dazu setzen, stundenlang zuhören und man vergaß meine Anwesenheit. Heute weiß ich, dass dies meine Introversion war. Damals sprach man nicht von Intro- oder Extraversion. Für meine Eltern, meinen Vater, waren ruhige Menschen Verlierer, die es sehr schwer haben würden, durchs Leben zu kommen und so werteten sie während meiner Kindheit und Jugend meine vielen stillen Anteile ständig ab, „zwangen“ mich zu extravertiertem Tun. Ich verinnerlichte es, es wurde zu meinen Glaubenssätzen und ich lernte die Rolle eines Extravertierten zu spielen. Ich kannte zwar bis 2019 den Begriff Introversion, er sagte mir aber nichts.
Dieses Spannungsverhältnis zwischen meinem Sein und meinem Handeln führte zu diesem ständigen Wechsel von grau zu bunt und umgekehrt. In jüngeren Jahren waren diese Amplituden heftig und lang anhaltend, wurden aber mit den Jahren flacher und kürzer dauernd.
Seitdem ich realisierte, dass ich ein Intro bin und nun danach lebe, verflachen diese Amplituden nach und nach. Sie werden nie verschwinden; jeder Mensch hat sie, weil wir unsere Energie aus diesem Auf und Ab, dem Pendelschlag des Lebens, beziehen. Dieser Wechsel ist grundsätzlich gesund. Das beschreibst du in deinem Blog-Beitrag sehr anschaulich und treffend!
Liebe Grüße, Bernd (-:
PS: Der Rhein ist auch einer meiner Bezugspunkte, ich jogge dreimal wöchentlich an seinem Ufer und ich genieße den regelmäßigen Spaziergang durch den am Rhein gelegenen Schlosspark. Eine Kraftquelle. Eine Quelle der Erinnerungen.
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Hallo lieber Bernd
Lieben Dank für deinen Kommentar. Dass du das „erleben“ musstest, ist
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Ist nicht schön (Sorry, schnell auf Absenden gedrückt). Da war der Kontrast sozusagen vorprogrammiert; was nur natürlich ist, wenn man gezwungen ist, auf eine Weise zu handeln, die dem Selbst widerspricht. Gut, dass du dies jetzt ausleben kannst. Dann wird auch der erlebte Kontrast weniger.
Bei mir war das auch so; als ich begonnen hatte, die melancholischen Anteile anzuerkennen, wurde der Kontrast weniger. Dies beeinflusst unser Leben maßgeblich positiver, da man im Einklang mit sich selbst steht und sich so akzeptiert wie man ist. So sollte man auch von anderen auch immer akzeptiert werden; außer es nimmt selbstzerstörerische Ausmaße an. Aber selbst das kann nur eine Phase sein.
Viele meinen es gut, wenn sie einen in eine gewisse Form bringen wollen; vielleicht, weil man dann konformer für die Gesellschaft ist oder es – so wird gedacht – einfacher hat. Auch wenn es gut gedacht ist, tut es nicht gut; im Gegenteil man hat es schwerer und verliert letztlich an Lebensqualität, da man ständig „gezwungen“ ist, eine Rolle zu spielen.
Ja, der Rhein ist super.
Liebe Grüße, Madeleine
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Liebe Madeleine, was die Introversion anbelangt, verstehen die Anderen häufig nicht, was sie ausmacht, wie sie sich zeigt. Ein Extravertierter vergleicht sich mit mir, erkennt „Defizite“ und versucht sie durch Worte (Ratschläge) oder Taten auszugleichen. Geduldig erkläre ich es ihnen jetzt.
Die Melancholie wird oft verwechselt mit Traurigkeit oder Depressivität. Dabei ist die Melancholie durchaus positiv, welche Fülle an Bildern (Kunst), Filmen, Literatur und vor allem (für mich) Musik man dabei genießen kann. Und die Melancholie bereitet den Boden für den darauf folgenden Pendelschlag in Richtung Leichtigkeit, Helligkeit, Ausgelassenheit … . Ohne den Kontrast wären wir nicht lebendig, wir würden die hellen Tage gar nicht als solche wahrnehmen und hätten an dunklen Tagen keine hoffnungsfrohe Erinnerung an helle Tage. Liebe Grüße, Bernd
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Genau das ist es. Melancholie heisst nicht, depressiv zu sein. Vielmehr besonders Anteil an der Schwere der Welt, die nun mal an manchen Tagen besteht, besonders teilzuhaben. Und introvertiert zu sein, bedeutet ebenso nicht, weniger Spaß am Leben zu haben, nur weil man ruhiger ist; sondern einfach, das Leben ruhiger zu gestalteten und mit Menschen anders in den Kontakt zu treten. Aber vielleicht ist es auch so, dass man alles, was man nicht versteht, negatvi bewertet. Und da wären wir wieder bei den Anteilen positiv und negativ.
Lieben Dank, wünsche ich dir auch! Liebe Grüße, Madeleine
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Wahrscheinlich; immerzu bewerten die Menschen, vor allem voreilig, anstatt die Dinge und die Menschen zunächst „nur“ wahrzunehmen und zu beobachten. Die Impulsivität verschließt dann oft, oder erschwert, den Zugang zum Gegenüber. LG, Bernd
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Liebe Madeleine,
Du findest schöne und anrührende Worte.
Ich danke Dir, daß Du meine Webseite abonniert hast und ich Dich auf diese Weise kennenlernen darf!
Ich wünsche Dir – und allen Lesern – noch weitere herzensfrohe und gesegnete Weihnachtstage und einen guten Start in ein heilsames, kraftvolles und segensreiches Neues Jahr 2021,
E. Aleit
P.S. Mir ist inzwischen glasklar geworden, daß wir nicht nur aus zwei Seiten (gut-böse, groß-klein, stark-schwach, usw.) bestehen, sondern aus DREI Anteilen: nämlich auch dem Mittler = der Mitte = unserem ICH BIN, der/die/das die jeweiligen beiden Extreme balanciert, der für Ausgewogenheit sorgt: hier für mehr Ruhe, dort für mehr Kraft für´s Schaffen, … Unsere Mitte sorgt dafür, daß alles ins Gleichgewicht kommt und bleibt. – Wir – alle – lassen uns nur immer wieder einreden, daß es nur das entweder-oder gibt. Quatsch! Gerade wir Frauen wissen doch gut, daß es zwischen Weiß und Schwarz UNENDLICH viele Farbtöne gibt…
In diesem Sinne: alles Gute!
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Hallo E. Aleit
Vielen lieben Dank für deine schönen Worte und dein Abonnement für meinen Blog.
Ich wünsche dir auch noch wunderbare Weihnachten und eine ruhige Zeit bis ins neue Jahr. Und dann kommt gut in das Jahr 21, dass hoffentlich für uns alle wunderbare Momente bereit hält.
Das was du sagst, stimmt total. Lieben Dank auch für die Anregung. Ohne diesen „Vermittler“ zwischen den beiden Polen wäre es schwierig im Gleichgewicht zu bleiben. Sonst hätte mein ein standiges Auf und Ab der beiden „Pole“, was auf Dauer äußerst anstrengend wäre.
Dir auch alles Liebe. 😊 Liebe Grüße, Madeleine
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