Entschuldigungen und ihre Kultur

Aus dem Film „Love Story“, einer meiner Lieblingsfilme, stammt folgendes Zitat „Liebe bedeutet, niemals um Verzeihung bitten zu müssen“.

Zunächst fand ich dieses Zitat befremdlich. Eigentlich bin ich der Ansicht, dass man sich bei Fehlern entschuldigen sollte. So habe ich es gelernt.

Eine Entschuldigung soll dem anderen zeigen, dass man seinen Fehler einsieht und er nicht an dem verletzenden Verhalten Schuld hatte. Natürlich auch, dass man den anderen mag, ihn gern hat. Daher scheint es wichtig zu sein, sich für Fehler zu entschuldigen bzw. den anderen deswegen um Verzeihung zu bitten.

Dieses Zitat hat mich dazu bewogen, die bei uns herrschende „Entschuldigungskultur“ noch einmal zu überdenken. Den Begriff „Entschuldigungskultur“ habe ich übrigens gewählt, weil er ein wenig einen Teil meines früheren Ichs beschreibt.

Ich habe mich früher für fast alles entschuldigt; quasi für mein Sein. Furchtbar. Aber ich hatte immer Angst, „etwas falsch“ zu machen. Anstrengend. Heute verfalle ich nicht mehr in diese Gedankenkreisel. Ich habe gelernt, dass das Verhalten anderer zu 90% gar nichts mit mir als Person zu tun hat; eher mit deren Gedanken oder Sorgen. Natürlich wundere ich mich manches Mal noch über für mich seltsame Verhaltensweisen anderer, verweile in diesem Verwundern, komme dann aber am Ende meiner Überlegungen nicht mehr zu dem Ergebnis, dass ich etwas falsch gemacht habe. Oft überprüfe ich gedanklich noch einmal kurz meine Wortwahl und mein Verhalten, dann lasse ich den Gedanken wieder ziehen. „Meine“ Menschen können immer mit mir reden, wenn sie etwas auf dem Herzen haben. Jeder Zeit. Leider redet man aber generell zu wenig miteinander; zumindest über die wichtigen Dinge. Genug des Exkurs.

Kommen wir zu der Frage, wie eine Entschuldigung formuliert werden sollte, damit sie vom Gegenüber angenommen wird. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich Menschen auf unterschiedliche Art und Weise entschuldigen. Ein „adäquates“ um Verzeihung bitten gibt es demnach nicht.

Mit einem lieben Arbeitskollegen kracht es ab und an. Nach dem ersten Konflikt, den wir hatten, kam im Nachhinein eine Mail mit beruflichen Informationen von ihm. Kein Wort der Entschuldigung. War ich sauer. Heute weiß ich, dass dies seine Art ist, sich bei mir zu „entschuldigen“; indem er nach einem Konflikt wieder den Kontakt in beruflicher Hinsicht zu mir sucht.

Ich schätze meinen Arbeitskollegen ansonsten sehr, daher verzichte ich auch darauf, eine „formale“ Entschuldigung einzufordern und akzeptiere seine Art und Weise, mich um Verzeihung zu bitten. Weder lasse ich ihn also um Verzeihung betteln noch bestehe ich auf eine für mich angemessene Entschuldigung. Es würde nichts am Geschehen, am Konflikt selbst, verändern. Meine Beziehung zu ihm ändert sich dadurch ebenfalls nicht. Ich schätzte ihn trotzdem als Arbeitskollegen. Es ist also an mir, mich zu entscheiden, ob ich ihm verzeihen kann oder nicht. Mittlerweile kann ich das ganz gut, das mit dem Verzeihen. Auch, nicht alle Dinge persönlich zu nehmen. Darin liegt oft der Ursprung in Konflikten oder Meinungsverschiedenheiten, die vermeintliche Entschuldigungen mit sich ziehen.

Wir alle machen Fehler, sind an manchen Tagen schroff oder verletzend. Wegen Sorgen, Ängsten oder Sonstigem. Eine Entschuldigung „bügelt“ Fehler wie einen zu lauten Umgangston zwar aus, ist aber keine Garantie, dass zukünftig nicht wieder Selbiges geschieht. Oft liegt „der Fehler“ in der Kommunikation selbst; Sender und Empfänger verstehen einander nicht, da die Kommunikation unklar ist.

Würden wir unserem Gegenüber offen sagen, was wir für Bedürfnisse haben, uns von ihm wünschen bzw. was uns wichtig ist oder, dass wir heute einfach einen „blöden“ Tag haben, müssten wir uns erst gar nicht „so oft“ entschuldigen müssen, wenn wir „aus der Haut“ fahren; nur weil der andere „mal wieder“ nicht telepathisch errät, was genau mit uns los ist. Eine Entschuldigung ist bei einer offenen Kommunikation oft weniger notwendig, sie entfällt quasi, denn wir können das Verhalten unseres Gegenübers besser einschätzen, weshalb wir es nicht auf uns beziehen. Wissen wir beidseitig von den Bedürfnissen und Wünschen, entstehen im Endeffekt auch weniger Situation, für die eine Entschuldigung notwendig wäre. Eigentlich wäre es so einfach, ist es aber nicht. Daher braucht es wohl doch manchmal „die Entschuldigung“; in welcher Form auch immer.

Sich beim anderen zu entschuldigen kann je nach gezeigtem Verhalten manchmal notwendig und angebracht sein, man sollte jedoch beim anderen nie um Vergebung betteln müssen. Dieses Betteln um Vergebung kenne ich übrigens nur zu gut; von meiner letzten Beziehung. Ich musste fast zu Kreuze kriechen, bis mir „vergeben“ wurde. Ansonsten gab es halt Liebesentzug. Solch ein Verhalten hat für mich wenig mit Liebe zu tun; heute weiß ich das.

Entweder lieben wir den anderen, können ihm seine Fehler verzeihen und mit ihnen leben oder eben nicht. Eine Entschuldigung ändert am Geschehen, am Konflikt selbst, nichts; auch nicht an den vermeintlichen Fehlern unserer Mitmenschen. Selbst dann nicht, wenn eine Entschuldigung hundertmal mit Nachdruck wiederholt wird.

Eine offene Kommunikation und Aussagen anderer weniger persönlich zu nehmen, hätten zur Folge, dass man sich darüber weniger Gedanken machen müsste, wie man sich beim anderen entschuldigt bzw. ob man dem anderen verzeihen kann oder nicht. Beides möchte ich weiter verfolgen und diesbezüglich dazu lernen.

Natürlich werden die Zusammenhänge in diesem Beitrag etwas lapidar von mir dargestellt. Zur Kommunikation – jeder hört anders – könnte man ellenlange Analysen schreiben, in der kulturelle und soziale Aspekte berücksichtigt werden müssten. Es gibt hunderte Arten zu kommunizieren, manche wollen auch nur hören, was sie hören wollen. Ich wollte es trotzdem auf diese „einfache Ansichtsweise“ runterbrechen.

Manche Dinge können wir verzeihen, andere nicht, je nach Einstellung und Erfahrung des jeweiligen Menschen. In der Liebe – wie auch immer diese aussehen mag – sollte aber ein „bitten und betteln“ nicht notwendig sein, damit einem der andere verzeiht. Ich liebe die Menschen trotzdem um mich herum, so lange sie meine Tür nicht komplett kaputt treten oder unsanft aushebeln.

Ausschweifende Entschuldigungen brauche ich nicht, ein „es tut mir leid“ reicht mir vollkommen aus. Ein vorsichtiges Herantasten ist für mich ebenfalls vollkommen in Ordnung. Jeder Mensch ist anders. Für mich ist nur wichtig, dass man nach einem Konflikt „neu“ beginnt und das Eigentliche nicht vergisst: Dass man den Menschen trotz allem liebt/schätzt und wir alle Fehler machen.

Übrigens, wer den Film noch nicht gesehen hat, ein Blick auf ihn lohnt sich. Wer wie ich auf eher melodramatische, aber nicht kitschige Liebesfilme steht, dem wird der Film „Love Story“ gefallen. Ich mag die Darstellung der Beziehung durch die beiden Protagonisten sehr; ihre Liebe wird unverfälscht, offen und ehrlich ohne viel Trara dargestellt. So etwas wünsche ich mir für mich auch irgendwann einmal; das Ende weniger. Aber ich verrate zu viel.

Habt ein schönes, entschuldigungsfreies Wochenende mit viel oder mit wenig Kommunikation. So wie es euch gut tut.

Bis bald. Liebe Grüße, Madeleine

Veröffentlicht von Lene

Ich würde mich als emphatische und entspannte Person bezeichnen, die versucht, ihre Erlebnisse in Wort und Schrift darzustellen. Also alles was mein Herz in irgendeiner Art und Weise berührt, verarbeite ich schriftlich. Ich bin kein Meister der Poesie. Manches mag sich holprig anhören, aber so ist mein Schreibstil. Ich bin auch nicht festgelegt auf eine Art von Text, jedenfalls noch nicht. Ich probiere gerne mal aus, dass merkt man auch an meiner Website: Sie ist recht bunt. Ich denke gerne bunt, denn für mich ist es das Leben auch. Mich freut es einfach, wenn der ein oder andere etwas mit meinen Texten anfangen kann oder sich vielleicht sogar darin wiederfindet. Viel Spaß beim Lesen. Und danke für euren Abstecher in meine kleine, bunten Welt. Vielleicht bis bald. 🤗 Lene

16 Kommentare zu „Entschuldigungen und ihre Kultur

  1. Ich stimme in Dir in Deiner Beschreibung absolut zu. Besonders dem Beispiel mit Deinem Arbeitskollegen.
    Danke für diesen Beitrag.
    👍🙏💚

    Gefällt 1 Person

  2. Das ist wieder ein schöner Text, sehr differenziert, liebe Lene. – Außerdem bin ich hier, um Dir eine gute, ruhige, erholsame Nacht zu wünschen. – Ich bin auch recht müde, aber das muss für den Nachtverlauf nichts besagen – ich will aber gern das Beste hoffen.

    Von Herzen liebe Grüße an Dich❣✨🌛

    Gefällt 1 Person

    1. Danke für deinen lieben Kommentar. Bei den längeren Texten weiss ich noch nicht so.. Ich übe. Hoffe du hattest eine gute Nacht. Liebe Herzens grüße an diesem Morgen. 💞💞

      Gefällt 1 Person

  3. Ein paar Gedanken, die mir beim Lesen gekommen sind:
    Wenn Paare erst einmal in Machtkämpfe verstrickt sind, dann eskaliert der Streit auch in der Frage, wer den Streit begonnen und wer sich zuerst zu entschuldigen hat. –
    – Situatives entschuldigen
    – Situationen, in denen es unumgänglich ist, sich zu entschuldigen
    – Manchmal ist eine Entschuldigung übertrieben
    – Soll das „Opfer“ eine Entschuldigung einfordern? Wenn es ihm persönlich wichtig ist? –
    Ja, jeder hat seine Art Gefühle, Liebe, zu zeigen. Und seine eigene Art, sich zu entschuldigen. Das ist auch das Spannende und Interessante in einer Beziehung, diese, die Eigen-Arten des anderen „lesen“ zu können und adäquat darauf zu „antworten“. –
    Es gibt auch Paare, wenige sagt die Forschung, da gehört der Streit zum Vorspiel und die gegenseitige Entschuldigung verschmilzt im Bett. –
    Es gibt auch die Menschen, die sich bis zur Erniedrigung entschuldigen können. –
    Liebe bedeutet auch, auf Augenhöhe um Verzeihung bitten zu können und zu verzeihen. Hand in Hand, Auge in Auge, Herz an Herz. –
    Jennys „Liebe bedeutet, niemals um Verzeihung bitten zu müssen.“ Oliver gegenüber, ist eine grandiose Liebeserklärung. Was für ihn, seinem Vater gegenüber, genauso gilt, nur halt in der Liebe eines Sohnes zu seinem Vater; Jenny hat Oliver den Rückweg zu seinem Vater durch ihr Vorbild (und Sterben) geebnet.
    Und schon sind wir beim Thema des von den Eltern Geliebtwerdens. Warum erkennen wir Kinder nicht in der Sorge und der Fürsorge unserer Eltern ihre tiefe Liebe zu uns? Überwiegen da Verletzungen in der Kindheit? –
    „Weißt du, was ich wirklich denke? Dass du Angst hast. Du baust um dich eine Schutzwand auf, um nicht verletzt zu werden. Aber sie hindert dich eine menschliche Bindung einzugehen. Das ist ein Risiko. Nicht?“ Doch das ist ein anderes Thema. –
    Liebe Grüße, Bernd

    Like

    1. Hallo Bernd
      Ja, Beziehungen mit Machtstrukturen sind schwierig.
      Im Fokus steht aber hier für mich eher das Thema Entschuldigung, nicht primär die Liebe zwischen einem Paar. Hier geht es generell um die Thematik menschliche Beziehungen und den Umgang mit Konflikten / Entschuldigungen. Das Zitat stammt einfach nur aus einem melodramatischem Liebesfilm. Das ist alles.

      Bei dem letzten Absatz hatte ich überlegt, wie ich ihn einordnen soll. Zu diesem Beitrag passt er meiner Ansicht nach nicht. Du meinst sicherlich andere. Danke für deine Sorge, aber ich kann dich beruhigen, dem ist nicht so. Der Panzer stammt aus einer alten Geschichte, die noch präsent war – -) siehe andere Beiträge. Ich lasse mir Zeit damit, wenn ich Lust dazu habe, dann wird es so weit sein. Ich mache mir nur ungern Druck oder lasse mich von anderen drängen. Wird dir sicherlich genauso gehen. Alles zu seiner Zeit. 😊
      Ansonsten habe ich viele menschliche Bindungen, in Form von Freuden im realen Leben, die eine Zeit geruht haben, was sicherlich auch der Zeit geschuldet ist.

      Like

      1. Nein, ich meinte meinen Kommentar nicht persönlich. Ich habe deinen Blog-Beitrag richtig verstanden und habe die Gedanken, die mir beim Lesen in den Sinn kamen, die ich dazu assoziierte, niedergeschrieben. Daher unser unterschiedlicher Fokus. Ich hatte mir den Film, nach vielen Jahren, vergangenes Wochenende noch einmal angeschaut. Der letzte Absatz ist ein Zitat aus diesem Film, der mich betrifft.

        Like

      2. Ja, ich, und nein, keinen Panzer. Ich bin nicht verhärtet oder verkrustet. Meine Schutzwand heißt Schneckenhaus. Das ist flexibler, ich kann mich zurückziehen und auch wieder meine Fühler ausstrecken. Ich bin auch nicht verletzlich, sondern sehr empfindsam. Das passt auch gut zu meinem Sternzeichen, dem Krebs (wenn man daran „glaubt“). Das hindert mich auch nicht eine menschliche Bindung einzugehen, es erschwert sie. Es hat Nachteile aber auch Vorteile. Liebe Grüße, Bernd

        Gefällt 1 Person

      3. Jeder hat glaube ich ein Schneckenhaus, dass er mal mehr und mal weniger nutzt. Je nachdem wie er sich fühlt. So lange es nicht das „Zuhause“ wird, ist das auch vollkommen ok. Ja, klar. Alles Vor- und Nachteile. LG

        Gefällt 1 Person

Kommentare sind geschlossen.

%d Bloggern gefällt das: