„Fehler sind nicht erlaubt, sei nicht so laut, du bist wirklich undankbar, ohne Fleiß keinen Preis“ – Sätze, die Susanne aus ihrer Kindheit zu genüge kennt. Sie begleiten sie heute noch und machen ihr das Leben schwer. „Soll ich oder soll ich nicht?“ lautet ihr ständiges Credo.
Sie hat Angst Entscheidungen zu treffen, etwas falsch zu machen, von anderen nicht gemocht zu werden; Susannes Antreiber ist der Perfektionismus. Schlägt sie fehl, verurteilt sie sich und zieht sich vor anderen zurück, was ihr wiederum bestätigt, dass ihre Mitmenschen sie nicht mögen. Ihr Blick in den Spiegel ist ein ständiges Überprüfen, ob alles mit ihr stimmt. Rein äußerlich tut es das. Doch was in ihrem Inneren vorgeht verdrängt sie. Die Stimme ihres Kindes, das Träume hat, gesehen und geliebt werden will, hört sie nicht.
Als Kind war Susanne voller Leben. Sie war laut, sie sang, tanzte und hüpfte in Pfützen. Sie machte sich keine Gedanken, ob sie richtig handelt oder ob sie liebenswert ist. Sie war einfach da, lebte im Augenblick und liebte die Freude. All dies ging verloren durch die Sätze von Erwachsenen, die im Laufe der Zeit immer lauter wurden, bis ihre eigene Stimme verstummte.
Sie passte sich an, folgte den Aufforderungen von ihren Eltern und Lehrern. Susanne wurde Bürokauffrau, vermied es aufzufallen, handelte strikt nach Regeln und Strukturen. Doch glücklich war sie nie. Sie lebte nicht ihr Leben, ihr Glück hatten ihr andere vorgeschrieben.
Heute, mit 34, fühlt sie sich leer und einsam. Ohne Kontakt zu sich selbst oder Erinnerungen an Träume von einst. Susanne spürt, dass es so nicht weitergehen kann, findet aber keinen Anfang etwas zu verändern.
Nach einem Tag im Büro liegt sie grübelnd auf der Couch, ohne ihren Feierabend zu genießen. Sie beschließt, schlafen zu gehen. Beim Wecker stellen kommt sie an die Radiofunktion. Leise ertönt ein Lied, das sie aus Kindheitstagen kennt. Etwas in ihr erinnert sich. Ihre Füße kribbeln, die Beine zucken, ihr Herz schlägt. Susanne fängt tanzt und singt laut mit. Ob sie schief singt oder blöd dabei aussieht ist ihr egal. Was ihre Nachbarn dazu sagen ebenfalls.
Es ist ein Anfang, ein Flüstern ihrer inneren Stimme, das immer lauter wird, bis die Sätze, die Susanne ihr Leben vorschreiben, ihr das Glück verbieten, verstummen.
Gefällt mir Wird geladen …