Eine frühere Freundin, mit der ich einmal bei Kaffee und Kuchen über den Umgang bezüglich Krisen/negative Gefühle diskutierte, sagte zu mir: „Wenn die schwarze Dame kommt, dann lade sie zu einem Kaffee ein und spreche mit ihr. Setze dich mit ihr auseinander, egal wie lange es dauert. Du wirst sehen, danach geht sie wieder.“ Ich habe über diesen Satz lange nachgedacht. Zunächst fand ich die Metapher, die sie für negative Emotionen nutzte, interessant. Heute kann ich auch der Botschaft dieses Satzes viel abgewinnen und ich möchte erklären warum.
Das Wort „Krise“ ist generell negativ besetzt. Kaum einer hört es gerne oder möchte sich damit auseinandersetzen. Ebenso verhält es sich mit negativen Gefühlen. Daher ist es nicht überraschend, dass wir nicht immer wissen, wie wir mit Freunden umgehen sollen, die sich in einer Krisen befinden oder denen es schlecht geht. „Wie verhält man sich?“ „Was sagt man und was nicht?“ Es ist wie ein emotionales Minenfeld, auf dem man sich langsam durchtasten muss. Immer mit der Gefahr, dass dieses explodiert. Das ist anstrengend, weshalb es viele gar nicht erst betreten.
Noch schwieriger ist es, selbst in einer Krise zu stecken. Für dich, dein soziales Umfeld und deine engsten Bezugspersonen Vor allem aber für dich.
Keiner gibt gerne zu: „Du, mir geht es richtig schlecht“. Wir haben die Erwartung an uns selbst, stark sein zu müssen. Nur wer stark ist und immer positiv denkt, der meistert das Leben. Zeige keine/wenig Schwäche oder Verletzlichkeit. Andere könnten es ausnutzen, gegen dich verwenden oder sich schlimmstenfalls von dir abwenden. So bekommen wir es in der Kindheit oft beigebracht. Der Satz „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“, den sicherlich viele aus ihrer Kindheit kennen, unterstreicht noch einmal wie negative Gefühle wahrgenommen werden sollen: Am besten gar nicht oder höchstens kurz.
Die gängigsten Strategien im Umgang mit negativen Gefühlen sind demnach sich abzulenken oder diese schlichtweg zu verdrängen. Per se ist dagegen nichts einzuwenden. Sicherlich brauchen wir ab und an schöne Bilder, mit denen wir uns vom Alltag ablenken können und die unsere Seele nähren. Es hilft auch nicht, sich in negative Emotionen zu verlieren. Sie komplett zu verdrängen aber ebenfalls nicht.
Negative Gefühle sind Bestandteil unseres Lebens – ob wir wollen oder nicht. Wenn wir diese nun immer nur „aussperren“, ist es nicht verwunderlich, dass wir mit ihnen nicht umgehen können/wollen. Wir müssen es erst lernen. Wie gelingt dieser Lernprozess? Genau, indem wir negative Emotionen nicht mehr verdrängen und uns mit ihnen auseinandersetzen. Und hier kommt nun „die schwarze Dame“ ins Spiel.
Ich interpretiere diesen Satz auf diese Weise: „Lasse dich von der schwarzen Dame nicht mehr nur besuchen, sondern lade sie aktiv ein. Setze dich mit ihr auseinander und spreche mit ihr über deine negativen Gefühle.“ Es ist sicherlich ungewohnt, negative Emotionen auf diese Weise zu betrachten. Es kostet Kraft und Zeit. Vor allem Kraft. Doch am Ende lohnt es sich, versprochen.
Wer sich aktiv mit seinen negativen Gefühlen auseinandersetzt, wird wieder handlungsfähig und bemerkt, dass er seinen Umgang mit Situationen, in denen diese oft entstehen, selbst steuern kann. Negative Gefühle haben ihre Berechtigung, daher sollten wir ihnen zuhören. Erst wenn wir das tun, können wir sie verstehen und anders mit ihnen umgehen. Und auch erst dann besteht die Chance, dass sie weniger auftreten. Wer gehört wird, der wird nicht lauter. Der verschwindet allmählich nach einiger Zeit.