Abc.Etüde: Gesicht

Mein Beitrag zur aktuellen Schreibrunde der abc.Etüden. Infos zum Projekt findet ihr hier: https://365tageasatzaday.wordpress.com/2022/09/18/schreibeinladung-fuer-die-textwochen-38-39-22-wortspende-von-nellindreams/

Wie immer gilt mein Dank Christiane, der Wortspenderin und allen Mitwirkenden. Ich wurde heute darauf aufmerksam gemacht, dass es einen Antidepressionstag gibt; wobei Anti hier als Enttabuisierung zu verstehen ist. Inspiriert durch diese Information, nimmt sich meine Etüde dieser Thematik an.

Ihr Inneres glich oft einer Regentonne; ihre Gedanken zu den Stimmungen und Verhalten anderer sammelten sich darin, bis sie überfloss. Dann verkroch sie sich, eingehüllt in ihrer Welt, die aus Funktionieren im Außen und Weinen im Inneren bestand.

Sie versteckte ihre Trauer gut. Niemand ahnte, dass ihr Selbstbild sofort zum Schwanken kam, wenn sie ihre Umwelt durch ihren schwarz-weiß Filter wahrnahm. Man schätze sie als selbstbewusst ein; als Macherin, die Ziele, die sie sich steckte, erreichte.

Ihre Freunde nahmen ihre Gefühle als Stimmungsschwankungen wahr. Wenn sie Verabredungen absagte, weil sie in ihrem schwarzen Loch gefangen war, wurde ihr kein Verständnis entgegengebracht. „Du bist zu sensibel“, sagten sie zu ihr. Oder, „Ich verstehe dich nicht, du hast alles was du brauchst, um ein glückliches Leben zu führen. Sei dankbar dafür.“

Lange Zeit teilte sie die Ansicht ihrer Freunde, da sie sich selbst nicht verstand. Doch nach einer Phase, in der das schwarze Loch erneut fast ihr ganzes Inneres aufgefressen hatte, beschloss sie, sich selbst verstehen zu lernen; Farbe in ihr Leben zu holen, indem sie ihren Filter, durch den sie die Welt wahrnahm, änderte.

Die Diagnose einer Therapeutin brachte Licht in ihr Inneres. Depression hat viele Gesichter, sie war eins davon. Doch das hieß nicht, dass ihr Gesicht irgendwann wieder vor Freude lachen konnte.

Veröffentlicht von Lene

Ich würde mich als emphatische und entspannte Person bezeichnen, die versucht, ihre Erlebnisse in Wort und Schrift darzustellen. Also alles was mein Herz in irgendeiner Art und Weise berührt, verarbeite ich schriftlich. Ich bin kein Meister der Poesie. Manches mag sich holprig anhören, aber so ist mein Schreibstil. Ich bin auch nicht festgelegt auf eine Art von Text, jedenfalls noch nicht. Ich probiere gerne mal aus, dass merkt man auch an meiner Website: Sie ist recht bunt. Ich denke gerne bunt, denn für mich ist es das Leben auch. Mich freut es einfach, wenn der ein oder andere etwas mit meinen Texten anfangen kann oder sich vielleicht sogar darin wiederfindet. Viel Spaß beim Lesen. Und danke für euren Abstecher in meine kleine, bunten Welt. Vielleicht bis bald. 🤗 Lene

6 Kommentare zu „Abc.Etüde: Gesicht

  1. Ein sensationeller Text, liebe Lene. Ich habe mich sehr darin wiedergefunden.

    Besonders dankbar bin ich Dir für den letzten Satz. Ich nehme es immer wieder wahr und empfinde es als besonders fatal, dass so viele Menschen meinen, dass Depressionen alle „heilbar“ seien, nach dem Motto: „Der/Die war ja nun in Behandlung, da muss es ja nun mal wieder gut sein.“ –

    Wenn es dann nicht so ist, oder sich diejenigen dann (immer noch) nicht den „Erwartungen“ gemäß verhalten, dann wird das nach meiner Erfahrung nur sehr, sehr selten akzeptiert, geschweige denn verstanden.

    Die Folgen sind für betroffene Menschen häufig schlimm …

    Liebe Grüße an Dich❣✨

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    1. Lieben Dank für deinen Kommentar zu meiner Geschichte, die mehr viel bedeutet. Ich finde es wichtig, über solche Themen zu sprechen. Oft wird ja gedacht, dass es nicht jeden treffen kann und, dass es immer gut heilbar ist. Dabei steckt ein weiter Weg dahinter, der sicherlich nicht mit einer Therapie erledigt ist. Selbst dann, wenn der Filter erweitert wird, besteht er noch. Man nimmt die Welt mit diesem wahr. So ist es nunmal.

      Ja, akzeptiert wird es nicht. Manchmal wird es sogar mit Reife assoziiert. Hatte ich auch schon. Aber wenn man selbst nicht mit diesen Filter die Welt wahrnimmt, fällt ein Verstehen wohl schwer. Ein Sehen und Annehmen ohne Verurteilung wäre aber ein wunderbarer Anfang. Ganz liebe Grüße an dich zurück 💕

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  2. Ein sensationeller Text, liebe Lene. Ich habe mich sehr darin wiedergefunden.

    Besonders dankbar bin ich Dir für den letzten Satz. Denn eine Depression ist eben oft nicht „heilbar“ wie andere Krankheiten. Wie oft habe ich es schon erleben müssen, dass von Betroffenen nach einer längeren Behandlung, einer oder mehreren Therapien „erwartet“ wird, dass „es nun ja auch mal wieder gut sein müsse“.

    Wird dieser Erwartung nicht entsprochen, wird es nicht selten für Menschen, die immer weiter gegen ihren Dämon kämpfen, erneut schlimm oder gar schlimmer als je.

    Das wird leider kaum verstanden und macht viel von dem Nichtverständnis bzw. dem Nichtakzeptieren der seelischen Lage von Menschen mit Depressionen und /oder Ängsten aus.

    Liebe Grüße an Dich 🙂❣

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  3. Ich tu mich schwer, dir etwas zu deinem Text zu schreiben, weil so viel zwischen den Zeilen steht. Ich mag selbst nicht, wenn mir jemand sagt, wie ich mich zu fühlen habe, und wenn mich jemand „zu sensibel“ findet, weiß ich, wer mir nicht gut tut – weil/wenn er*sie nicht mal fragt oder sich die Mühe macht, hinter die Fassade zu schauen. Aber ich weiß, dass es viele nicht können und es (ernsthaft) „nur gut“ meinen. Ach. Manchmal ist alles anstrengend.
    Deine Etüde war erst da und dann wieder weg und jetzt habe ich eben entdeckt, dass sie doch da ist, also habe ich sie in der Liste nachgetragen. Danke, dass du sie geschrieben hast.
    Liebe Grüße
    Christiane, deren dickes Fell auch oft nur gespielt ist

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    1. Hallo Christiane
      Alles gut. Es scheint an Apple zu liegen. Irgendwie funktioniert das Posten nicht mehr. Ich als alter Technikfreak versuche mehr darauf zu achten.

      Vielen lieben Dank für deinen Kommentar. Für mich bedeutet er viel, da es heißt, dass du den Text gefühlt hast. Es sollte so sein. Es fiel mir auf, dass ich auch in dieser Etüde weniger Worte verwendet habe. Doch ich finde, dass vor allem zu diesen Thematiken viel zwischen den Zeilen steht. Depression, Belastungen und Glaubenssätze (etc.) sind sehr verschieden, jeder fühlt/denkt anders. Daher habe ich diesen und auch die letzte Etüde bewusst „so“ gelassen. Wer in Resonanz treten mag, tut dies. Wer nicht, der nicht.

      Ich weiß, was du meinst. Mir geht es da sehr ähnlich. Es ist ein Üben, immer mit dem Ziel, es für sich selbst leichter zu machen. Liebe Grüße an dich und schönen Abend

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